Wasserstoff wird eine zentrale Rolle im Energiesystem der Zukunft spielen. Doch es wird auch eine zentrale Frage sein, woraus und wie er gewonnen wird. Fehler aus der Vergangenheit sollten sich hier nicht wiederholen.
Im November 2019 beschloss Australien eine nationale Wasserstoffstrategie: Diese sieht neben weiteren Punkten auch den Aufbau großer Wasserstoffkapazitäten für den Export vor. Ab 2025 sollen die ersten kommerziell ausgerichteten Produktions-Großanlagen entstehen. Problematisch ist dabei, dass die in der Strategie vereinbarte Technologieoffenheit auch die Möglichkeit beinhaltet, Wasserstoff aus Kohle zu gewinnen. Australien ist einer der größten Steinkohleproduzenten der Welt. Über Wasserstoff böte sich ein Weg, die klimaschädliche Kohle nun indirekt weiter zu energetischen Zwecken einzusetzen. Wasserstoff aus Kohle wird die Klimaschutz-Diskussion um diesen Zukunftsstoff anheizen.
Ein anderer fossiler Energieträger, Erdgas, hat derzeit schon eine Diskussion entfacht, ob Erdgas als „Wasserstoff“ ein neues Marktsegment entwickelt und damit seine Position als Bestandteil der Energiewende untermauert und wie klimafreundlich blauer Wasserstoff im Zeitalter der Energiewende ist. Für blauen Wasserstoff dient Erdgas als Ausgangsstoff zur Gewinnung von H2. Damit einher gehen auch Überlegungen bzgl. der Verteilung. Es gibt aktuelle Überlegungen zu Nord Stream 2, die im Bau befindliche Erdgas-Pipeline, in Zukunft ggf. auch als Wasserstoff-Pipeline zu nutzen.
Technisch nicht abwegig
Technisch abwegig ist das überhaupt nicht. Vorhandene Erdgas-Pipelines für den Transport von Wasserstoff zu nutzen, wird weltweit diskutiert und etliche Initiativen sind dazu bereits gestartet, um Technologiekonzepte zu entwickeln. Aktuell arbeiten z. B. der Gasspezialist Linde und Filterspezialist Evonik Industries gemeinsam an einem vielversprechenden Projekt, mittels der Kombination aus Druckwechseladsorptionsanlagen, gepaart mit Hochleistungs-Membranen, Wasserstoff vom Erdgasstrom mit einer Reinheit von nahezu 100 % wieder abzutrennen. Die von Linde und Evonik entwickelte Separationstechnik ist im Übrigen herkunftsneutral: Jeder, wie auch immer erzeugte Wasserstoff, lässt sich am Ende wieder separieren.
Fokus auf der Produktion
Aus Gründen des Klimawandels und des Umweltschutzes sollte der Fokus langfristig auf der Produktion und der Verwendung grünen Wasserstoffs liegen. Ökostrom und -gasanbieter Greenpeace Energy hat in einer Kurzstudie die CO2-Emissionen der Produktion von blauem Wasserstoff mit denen von grünem (auf Basis von Windstrom) verglichen. Demnach verursacht die Produktion blauen Wasserstoffs im Durchschnitt 143 gCO2/kWh, bei der von grünem sind es lediglich 26 gCO2/kWh. Beim aktuellen Strommix lägen die Emissionen von Wasserstoff-Elektrolyse laut Studie allerdings bei 691 gCO2/kWh.
Bis mindestens mittelfristig besitzt blauer Wasserstoff für den Hochlauf von Wasserstoff in den verschiedenen Systemen eine Notwendigkeit, um auf dem Weg zur Versorgung mit grünem Wasserstoff Lock-In-Effekte zu vermeiden.
Blick auf den Import
Deutschland wird seinen Wasserstoffbedarf indes nicht selber decken können, sagt eine aktuelle Studie des Fraunhofer-Instituts für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik (IEE). In diesem Zusammenhang wird man sich die Frage stellen müssen, wie nachhaltiger Import von Wasserstoff gelingt.
Dieser Frage widmet sich ein aktuell in Planung befindliches Forschungsprojekt des Öko-Instituts Freiburg, das auf Spenden basieren wird. Es zielt darauf ab zu erforschen, wie Wasserstoff hergestellt, welcher Strom genutzt wird, woher das notwendige Wasser stammt und auch wie der Wasserstoff transportiert wird. Die Forscher wollen auch der Frage nachgehen, wie sich unterschiedliche Produktionsweisen von Wasserstoff in verschiedenen Ländern auf Menschen, Umwelt und Klima auswirken. Über die Spendenaktion will das Institut eine studientechnische Unabhängigkeit herstellen.
Fazit: Fehler nicht wiederholen
Aus der Geschichte sollte man lernen. Vor rund 10 Jahren erlebte das Thema Bioenergiekraftstoffe weltweit seinen Hype. Doch schnell stellte sich heraus, dass es bzgl. der Rohstoffgewinnung und Herstellung vielerorts eklatante Missstände und Unterschiede gab. Daraufhin wurden Nachweissysteme entwickelt, Biokraftstoffe in den Punkten Herkunft, Nachhaltigkeit und Klimaschutz transparent zu machen. Die Politik hat sich trotzdem längst von ihnen abgewendet. Höhere Kraftstoff-Beimischungsquoten über E10 hinaus sind derzeit überhaupt kein Thema mehr.
Nun erlebt Wasserstoff weltweit einen Hype. Er dient traditionell als Grundstoff für die chemische Industrie. Jetzt soll er u. a. als Speichermedium für Windstrom und Photovoltaik dienen. Wie er erzeugt wird, aus welchen Ressourcen und mit welchem Strom, das wird die spannende Frage der Zukunft sein. Die Fehler, die bei der Bioenergie gemacht wurden, sollten nicht wiederholt werden. Die Kosten-Nutzen-Effizienz von Wasserstoff wird man hier im Sinne des Öko-Instituts in Zukunft jedenfalls differenzierter betrachten.
Quellen (1) „Nationale Strategie setzt auf Wasserstoff-Hubs“, German Trade & Invest (GTAI), Juli 2020. (2) „Wasserstoff aus Erdgasnetz abtrennen: Linde und Evonik bieten gemeinsame Technologie an“, gemeinsame Pressemitteilung der beiden Unternehmen vom 12.11.2020, München, Essen. (3) „Wasserstoff im zukünftigen Energiesystem: Fokus Gebäudewärme“, Kurzstudie des Fraunhofer IEE, Kassel, Mai 2020. (4) „Blauer Wasserstoff“, Kurzstudie von Greenpeace Energy, Hamburg, Januar 2020 (5) „Wie gelingt nachhaltiger Import von Wasserstoff?“ Aufruf des Öko-Instituts, Freiburg, 12.11.2020.
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