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Wasserstofftechnologie – Wettlauf der Systeme


Wasserstoff wird als Speicherstoff für volatilen Strom aus Wind und Sonne eine Schlüsselrolle spielen. Ein Blick auf Techniken, Strategien und die Kosten.


Das klassische Verfahren Wasserstoff heute industriell zu gewinnen, ist die Dampfreformierung. Sie gilt als das bedeutendste großtechnische Verfahren zur Herstellung von Wasserstoff. Der wichtigste Ausgangsstoff in diesem Verfahren ist derzeit Erdgas. Über mehrere Reaktionsschritte wird aus Methan (CH4) unter Zugabe von Energie und Wasserdampf Wasserstoff (H2) gewonnen. Der Wirkungsgrad dieses Gewinnungsverfahrens liegt bei 60 – 70 %. Da hier Methan der Ausgangsstoff ist, könnte prinzipiell auch gereinigtes Biogas eingesetzt werden – doch sind die verfügbaren Mengen relativ begrenzt. Es könnte ein interessantes Thema in den Ländern werden, die verstärkt auf die Produktion von Biogas setzen, z. B. Indien.

Die Herausforderung für die Dampfreformierung im klassischen Stil ist also nicht die Technik bzw. eine mangelnde Effizienz, sondern was als Ausgangsstoff eingesetzt wird und woher die Energie kommt, die für den Prozess benötigt wird.


Aus dem Tiefschlaf geweckt

Nachdem das Thema Wasserstoff bereits um 2004 einmal ein energiepolitisches Thema im Rahmen der Energiewende in Deutschland war, wurde es nun – nach einer politischen Tiefschlafphase von rund 15 Jahren – im vergangenen Jahr von der Politik wieder aufgeweckt. Anfang Juni 2020 gab die Bundesregierung ihre Nationale Wasserstoffstrategie (NWS) bekannt. Sie verfolgt insbesondere das Ziel, Wasserstofftechnologien als Kernelemente der Energiewende zu etablieren, um mit Hilfe erneuerbarer Energien die Sektoren zu dekarbonisieren (Industrie, Wärme, Verkehr). Der Fokus liegt auf grünem Wasserstoff und seine Erzeugung mittels PtX-Technologien. Bereits ein Jahr zuvor, im Juli 2019, legte das Bundesumweltministerium (BMU) sein Aktionsprogramm PtX „Power-to-X“ vor.


Big G

Nach den Plänen der Bundesregierung sollen bis zum Jahr 2030 5 GW Elektrolysekapazität in Deutschland aufgebaut werden. Laut der Deutschen Energie-Agentur (Dena) entspricht das etwa dem 200fachen der aktuell vorhandenen Kapazitäten. Zugleich ist aber zu sehen, dass 5 GW nur eine sehr kleine Größenordnung im Kontext des nationalen Energiebedarfs Deutschlands sind. Der aktuelle Endenergiebedarf im deutschen Verkehrssektor beläuft sich laut Umweltbundesamt allein auf 751 TWh (2018). Die Industrie schlägt mit 736 TWh zu Buche, Gewerbe, Handel und Dienstleistungen mit 375 TWh. Der Endenergiebedarf im deutschen Wärmesektor (Raumwärme und Warmwasser, Kälte) summiert sich auf 636 TWh. Selbst wenn die von der Bundesregierung angepeilten 5 GW Elektrolysekapazität auf 100 % Volllaststunden (VLh) kämen (100 % VLh = 8.760 h = Zahl der Stunden im Jahr bei 365 Tagen), dann könnten sie theoretisch rund 44 TWh produzieren, allerdings ist dabei noch nicht der Anlagen-Wirkungsgrad berücksichtigt, der nirgendwo, wie hier einmal angenommen, 100 % beträgt. Eine weitere Herausforderung ist die Tatsache, dass nicht nur Produktions- sowie Transportkapazitäten auf- und ausgebaut werden müssen, sondern auch die dafür benötigten Erzeugungskapazitäten grünen Stroms.


PtX mal genauer

Der politische Fokus liegt auf Power-to-X. Dieser Begriff fasst verschiedene „Power-to“-Technologien als Dachbegriff zusammen: Power-to-Gas (PtG), Power-to-Heat (PtH) und Power-to-Liquid (PtL). Darunter werden, nach Verwendungszweck dezidierte technische Subsysteme gefasst, z. B. Power-to-Ammonia oder Power-to-Fuel. Synthetische Energieträger (Power Fuels) werden erzeugt, indem zum Beispiel Wasser im Elektrolyseverfahren mithilfe von erneuerbarem Strom in Wasserstoff und Sauerstoff aufgeteilt wird. Der gasförmige Wasserstoff kann in weiteren Syntheseschritten zum gasförmigen Energieträger Methan oder zu flüssigen Kraft- und Brennstoffen wie Flüssigerdgas (Liquified Natural Gas, LNG) sowie synthetischem Benzin, Diesel und Kerosin verarbeitet werden. Power-to-Ammonia hat zum Ziel, erneuerbare Energien chemisch in Form von Ammoniak zu speichern. Ammoniak ist nicht nur ein klassischer Grundstoff, z. B. in der Düngemittelindustrie; er kann vielseitig auch in Kraftwerken und selbst in Verbrennungsmotoren eingesetzt werden.

Ein weiterer beispielhafter Sub-Ansatz ist die Produktion von Methanol auf Basis von Wasserstoff. So erforscht aktuell das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) in seinem vielversprechenden Projekt „Power-to-Methanol – Grünes Methanol“ die Methanolsynthese im Rahmen von PtL-Prozessen und hat dazu seit Dezember 2019 eine Miniplant-Anlage zur Methanolsynthese am Institut in Betrieb. Methanol ist mit einer Jahresproduktion von über 100 Mio. t bereits heute eine der wichtigsten Basis-Chemikalien weltweit. Die konventionellen Herstellungsprozesse basieren auf fossilen Rohstoffen wie Erdgas, Kohle oder Erdöl.


Kosten

Am Ende geht es immer auch um die Kosten. Hier stehen wir noch am Anfang der Einschätzung, weil viele PtX-Prozesse im Pilotanlagen-Stadium sind oder manche sich bereits im Technikums-Stadium befinden. Doch die Entwicklung geht schnell. Das Wuppertal Institut (WI) in Zusammenarbeit mit der DIW Econ kommt in einer Studie für den LEE NRW zu einem Metadaten-Ergebnis, das als Grundlage für weitere, möglicherweise auch kleinteiligen Projektentwurf dienen kann. Es zeigt die heute (2020) resultierenden Produktionskosten für grünen Wasserstoff in Deutschland, nach EE-Quellen und Kostenfaktoren. Im Mittel über alle Annahmen und EE-Quellen betragen die Produktionskosten für grünen Wasserstoff in Deutschland heute (2020) etwa 23,9 ct/kWh H2.


Ein Fazit

Dieser Wert ist (noch) hoch. Allerdings zeigt die Sensitivitäts-Analyse der Wuppertal-Studie am Beispiel für Wasserstoff aus Onshore-Windstrom auch, dass sich die Produktionskosten an verschiedenen Stellen senken lassen. Greenpeace Energy geht in einer aktuellen Studie davon aus, dass die Kosten für Elektrolyseure schnell sinken werden und spricht von einem erwarteten Preissturz von derzeit 1.000 €/kW auf 200 €/kW in den nächsten 10 Jahren. Auch die Internalisierung externer Kosten werden zu berücksichtigen sein, wie z. B. über die immer weiter ausgebaute CO2-Bepreisung fossiler Brennstoffe. Greenpeace Energy rechnet damit, dass ab 2030 eine Angleichung der Kosten zwischen blauem und grünem Wasserstoff wahrscheinlich wird. Es gibt mittlerweile einen Wettlauf: Bei den Ausgangsstoffen und der technischen Transformation mit den dafür eingesetzten Energien. Es wird eine wichtige Aufgabe sein, individuell passgenaue Lösungen zu finden bzw. zu entwickeln mit dem Ziel, Unternehmen, und ganze Sektoren prozessual zu dekabonisieren, auch über das Thema Wasserstoff, und das zu verträglichen Kosten.


Quellen (1) BMU-Aktionsprogramm PtX „Power-to-X“, Berlin, Juli 2019 (2) „Die Nationale Wasserstoffstrategie“, Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi), Berlin, Juni 2020 (3) dena-Leitstudie Integrierte Energiewende, Berlin, Juli 2018 (4) Wuppertal Institut, DIW Econ: „Bewertung der Vor- und Nachteile von Wasserstoffimporten im Vergleich zur heimischen Erzeugung“, Studie für den Landesverband Erneuerbare Energien NRW (LEE-NRW), Wuppertal/Berlin, Oktober 2020 (5) „Echtzeit-Einblicke in die Methanolsynthese. Dynamischer Betrieb einer Miniplant-Anlage am Fraunhofer ISE“, Fraunhofer ISE, Freiburg, Mai 2020 (6) „Blauer Wasserstoff“, Kurzstudie von Greenpeace Energy, Hamburg, Januar 2020

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