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  • alexandertunnat

Wasserstoff vor dem Durchbruch


Bis vor kurzem drohte dem Energiewende-Thema Wasserstoff der endgültige Aufmerksamkeitsverlust. Doch das Thema gewinnt nun an Fahrt – und auch nur scheinbar plötzlich.

Anfang Juni 2020 gab die Bundesregierung ihre Nationale Wasserstoffstrategie (NWS) bekannt. Sie verfolgt insbesondere das Ziel, Wasserstofftechnologien als Kernelemente der Energiewende zu etablieren, um mit Hilfe erneuerbarer Energien die Sektoren zu dekarbonisieren (Industrie, Wärme, Verkehr).

Kritiker monieren, dass hinter den hehren Zielen wenig Substanz zu entdecken sei. Das mag derzeit vielleicht noch so sein, aber gerade deshalb sendet die NWS ein wichtiges Signal, nachdem das Thema Wasserstoff aktuell über die Diskussion der direkten Verstromung der Sektoren (z. B. E-Mobilität) eine Zeit lang in Vergessenheit geraten schien.


Bekannte Felder

Wasserstoff wird in Energieprozessen schon seit Jahrzehnten eingesetzt, z. B. im Hüttenwesen bei der Produktion von Stahl. Meist handelt es sich um „grauen“ Wasserstoff. Dieser wird durch Abspaltung aus Erdgas gewonnen (s. Infokasten „Die Farbenlehre des Wasserstoffs“). Oft wird er vor Ort erzeugt, denn Pipelines oder Leitungen von einer Produktionsanlage außerhalb gibt es nicht.

Etwas in Vergessenheit geraten ist eine andere Verwendung von Wasserstoff – Stadtgas, eine Mischung mit Erdgas zur Wärmeversorgung von Siedlungen über Nah- und Fernwärmenetze.


Treiber der Entwicklung

Das Thema Wasserstoff wird nun insbesondere vorangetrieben von der Frage, fluktuierenden Strom aus Windkraft und Sonne (Photovoltaik) zu speichern über Power-to-X-(PtX)-Technologien, von denen es zahlreiche Ansätze gibt. Dem grünen Wasserstoff soll die Zukunft gehören. Erdgasbasierte Wasserstoffe sind für eine gewisse Zeit als Übergangslösung denkbar, um infrastrukturelle Lock-In-Effekte alter Energieträger zu verhindern.


Noch sehr teuer, aber Interesse wächst

PtX-Umwandlungen sind derzeit zwar noch sehr teure Speicher- bzw. Konversionstechnologien. Die Transformationsverluste sind je nach Verfahren und Entwicklungsstand außerdem unterschiedlich hoch. Doch Forschung und Entwicklung schreiten rasant voran und nun gibt es auch wieder die politische Aufmerksamkeit.

Die Entwicklung wird an verschiedenen Stellen beschleunigt, z. B. die der Brennstoffzelle. Stadtwerke und ÖPNV-Unternehmen zählen zu den ersten Adressaten, die genügend Nachfrage über ihre Flotten erzeugen und zu Keimzellen der Wasserstoff-Mobilität werden könnten, die dann auch privates Interesse anziehen. Die Dringlichkeit, in den Innenstädten Schadstofflasten aus dem Verkehr zu ziehen, könnte eine solche Entwicklung beflügeln. Zugleich wächst das Interesse an alternativen Lösungen in der Energieversorgung auch in Gewerbe und Industrie. Das Thema Wasserstoff wird hier zunehmend an Bedeutung gewinnen.


Perspektivisch

Zu Zentren der deutschen grünen Wasserstoffproduktion könnten sich die Küstenländer entwickeln, insbesondere Niedersachsen und Schleswig-Holstein. Hier gibt es bereits konkrete Überlegungen, On- und Offshore-Windstrom in Form von Wasserstoff zu konservieren.

Doch wieviel grünen Wasserstoff könnte Deutschland produzieren? Eine aktuelle Studie des Fraunhofer-Instituts für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik (IEE) kommt hier auf den ersten Blick zu ernüchternden Ergebnissen: mit erneuerbaren Energien ließen sich in Deutschland zwischen 50 und 150 Terawattstunden (TWh) grünen Wasserstoffs erzeugen. Das ist nur ein Bruchteil des deutschen Endenergiebedarfs über alle Sektoren.

Doch muss auch die Frage gestellt werden, ob eine theoretische nationale Vollversorgung über Wasserstoff überhaupt das Ziel ist. Deutschland war und ist zudem ein Energie-Importeur, s. u. a. die aktuellen Diskussionen um Nord-Stream 2. Der Import von Erdöl/Heizöl ist seit Jahrzehnten selbstverständlich. Warum sollte das nicht in naher Zukunft auch für grünen Wasserstoff möglich sein? Abgesehen davon müsste das deutsche Potenzial auch erst einmal verwirklicht werden, was jetzt beginnt.

Grün, Blau oder Grau – hier erfahren Sie den Ursprung der Farbkennzeichnungen für Wasserstoff.




Quellen (1) BMWi (2) Kritik kam von der Opposition und auch von Verbänden (z. B. BNE) sowie Unternehmen (z. B. Greenpeace Energy) (3) Emcel.com, Wikipedia (4) Wissen.de (5) PtX-Allianz.de (6) Wuppertaler Stadtwerke GmbH, wsw-online.de (7) Schleswig-Holstein Netz AG, sh-netz.com (8) Fraunhofer IEE, iee.fraunhofer.de

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